Der Evolutionsbiologe Dr. Peter Menke ist Ende des Jahres 2010 in die katholische Kirche eingetreten. Ursprünglich eher vom Buddhismus angetan hat er sich über die christlichen Mystiker wie Thomas Merton und intensiver Lektüre der Werke von Romano Guardini, Klaus Berger, Robert Spaemann oder natürlich Joseph Ratzinger immer mehr dem christlichen Glauben angenähert.
Artikel: "Ein Biologe konvertiert: 'Frischer Blick aufs Christentum'"
Warum tritt Evolutionsbiologe in katholische Kirche ein? - 'Christsein ist für mich keine selbstverständliche Existenzform.' – 'Wer hat schon am Kreuz für seine Feinde gebetet?' –Kath.net-Exklusiv-Interview: Petra Lorleberg mit Dr. Peter Menke
Linz (kath.net) Der Evolutionsbiologe Dr. Peter Menke ist Ende des Jahres 2010 in die katholische Kirche eingetreten. Er hatte in Tübingen Biologie studiert und 2007 an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz über Einzelaspekte der Evolution von Primaten promoviert. Jetzt unterrichtet er an einem Gymnasium in Baiersbronn/Baden-Württemberg und ist Schulbuch-Mitautor.
Exklusiv für kath.net gibt Dr. Menke im Interview Auskunft über seine Konversion und seine Sicht auf das Verhältnis von Glaube und Wissenschaft.
Herr Dr. Menke, in einer Zeit, die von Kirchenkrisen und Kirchenaustritten geprägt zu sein scheint, sind Sie katholisch geworden – man darf gewiss sagen, dass Sie nicht einfach den Mehrheitsmeinungen folgen. Was fasziniert Sie am Christsein?
Christsein ist für mich sicherlich keine selbstverständliche Existenzform. Im Grunde bin ich seit meiner Kindheit auf der Suche gewesen. Spiritualität und Religiosität haben mich schon immer angesprochen. Das spezifisch Christliche ist für mich der Zugang zu Gott durch Jesus Christus und dessen bewegendes Leben und Sterben – wer hat schon am Kreuz für seine Feinde gebetet?
Häufig stellt die öffentliche Meinung Wissenschaft als nüchterne Fakten dar und rückt Religion in die Nähe einer Märchenstunde. Mussten Sie für sich selbst Glaube und Wissenschaft ausbalancieren? Korrigiert die Wissenschaft den Glauben oder der Glaube die Wissenschaft?
Es gab sicherlich Momente, in denen ich das Gefühl hatte, meine Studien und den Glauben ausbalancieren zu „müssen“. Dies hat sich z.B. darin gezeigt, dass ich meine Doktorarbeit fast bei Prof. Dr. Christian Kummer SJ an der Hochschule für Philosophie in München absolviert hätte; der Schwerpunkt sollte das Werk von Teilhard de Chardin sein. Dieser Paläontologe hatte eine besondere Form der Theologie entwickelt, die evolutionsbiologische Elemente beinhaltete. Allerdings habe ich mich nach dem Studium in Tübingen dann doch für eine rein naturwissenschaftliche Promotion am Institut für Anthropologie der Johannes Gutenberg-Universität Mainz entschieden.
Ich denke, dass moderne Naturwissenschaft und Religion in gewisser Weise ein gegenseitiges Korrektiv bilden – einerseits hinsichtlich unseres inzwischen evolutionären Weltbildes, andererseits hinsichtlich essentieller Fragen der Bioethik.
Sie haben Ihre Doktorarbeit über Einzelaspekte der Evolution der Primaten geschrieben. Ist der christliche Glaube mit den wissenschaftlichen Aussagen über die Evolutionstheorie vereinbar? Wie schätzen Sie den Kreationismus ein, dass also Christen den biblischen Schöpfungsbericht als Grundlage des wissenschaftlichen Forschens nehmen?
Instinktiv hatte ich nie ein Problem damit anzunehmen, dass Gott die Lebensformen quasi durch eine Evolution, einen Stammbaum also, kreiert hat. Mir schien das ganz im Gegenteil einfach nur wesentlich interessanter zu sein... In diesem Zusammenhang möchte ich den renommierten Philosophen und Papst-Berater Robert Spaemann zitieren: „... muss man sagen, dass die evolutionäre Sicht des Universums den Gottesglauben begünstigt."
Ich bin der Ansicht, dass wir die beiden Ebenen separieren sollten. Mit dem Kreationismus oder modifizierten Formen – wie intelligent design – reduziert man den Gottesgedanken auf eine Lückenbüßer-Funktion. Verdienstvolle Biologen wie Christian de Duve oder Simon Conway Morris hatten bzw. haben keinerlei Schwierigkeiten, glänzende akademische Leistungen und ein religiöses Privatleben harmonisch zu kombinieren. Der berühmte Satz „Nichts in der Biologie ergibt Sinn außer im Licht der Evolution“ stammt von Theodosius Dobzhansky, einem der bekanntesten Biologen überhaupt. Er war einer der Wegbereiter der synthetischen Evolutionstheorie, also der Kombination von Genetik und klassischer Evolutionstheorie – und Dobzhansky war praktizierender orthodoxer Christ!
Ich formuliere etwas zugespitzt: Die Welt – Ergebnis einer wissenschaftlich nachvollziehbaren Abfolge von Zufällen und Naturgesetzen oder Ergebnis freien Schöpferhandelns eines allmächtigen Gottes? Wir Menschen – Zufallsprodukt oder liebevoll vom Schöpfer ins Leben gerufen?
Hier möchte ich gerne aus dem Epilog von „Stufen zum Leben“ des Chemikers und Nobelpreisträgers Manfred Eigen zitieren: „So bezieht sich die häufig gestellte Frage: „Schöpfung oder Evolution?“ auf ein Scheinproblem, indem durch das Wort „oder“ zwei nicht-kommensurable Projektionen miteinander konfrontiert werden (...) Eigentlich fragen sie nach etwas ganz anderem, für das die Wissenschaft keine Antwort hat.“
Als religiöser Naturwissenschaftler ist man (privat) natürlich vom anthropischen Prinzip überzeugt; der Mensch wäre demnach also kein Zufallsprodukt, sondern seit Beginn des Universums „angelegt“. Ein atheistischer Naturwissenschaftler interpretiert den Urknall und die Evolutionstheorie aber logischerweise anders.
Letztendlich ist für mich die „Trennung“ von Naturwissenschaft und Religion schon durch Jesu Worte begründet: „Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gottes, was Gottes ist.“ Dies bezieht sich für mich persönlich nicht nur auf die Separation von Kirche und Staat. Notwendige Überschneidungen sehe ich allerdings beispielsweise in bioethischen Fragestellungen.
Gott: Ist er für Sie eine abstrakte Idee? Uhrmacher und Taktgeber des Universums? Gesetzgeber und Moralinstanz? Eine seelische Unfallversicherung? Ein liebendes Gegenüber?
Gott ist für mich definitiv ein liebendes Gegenüber, aber natürlich auch Gesetzgeber und moralische Instanz. Der amerikanische Astrophysiker George V. Coyne, Leiter des Observatoriums im Vatikan, hat es für mich auf eine sehr plastische Art und Weise ausgedrückt: „Man erzieht ein Kind, aber man versucht die eigenständige Persönlichkeit des Kindes zu erhalten und zu bereichern und dessen eigene Leidenschaft fürs Leben. Eltern müssen einem Kind erlauben, erwachsen zu werden, so weit zu kommen, dass es seine eigenen Entscheidungen trifft, seinen eigenen Weg im Leben geht. Das ist die Art und Weise, wie Gott mit dem Universum umgeht.“
Von der Wissenschaft zurück zu Ihrer eigenen Lebensgestaltung: Ist Ihnen eine christliche Grunderziehung mit in die Wiege gelegt worden? Möchten Sie uns die wichtigsten Stationen Ihrer Entwicklung zum Glauben mitteilen?
Eine christliche Grunderziehung insofern, als dass ich mit 14 – also bei meiner Konfirmation – evangelisch getauft wurde. Einige Jahre später habe ich mich vor allem mit dem Buddhismus auseinandergesetzt. Rückblickend war dies für mich eine sehr wertvolle Zeit, da ich dadurch wieder einen „frischen“ Blick auf das Christentum gewinnen konnte. Über die christlichen Mystiker wie Thomas Merton und intensiver Lektüre der Werke von Romano Guardini, Klaus Berger, Robert Spaemann oder natürlich Joseph Ratzinger bin ich langsam aber sicher zum Katholizismus gepilgert. Ein nicht nebensächlicher Faktor war selbstverständlich auch der jahrelange regelmäßige Gottesdienst-Besuch mit meiner Frau, die unter anderem katholische Religion unterrichtet. Dies ermöglichte mir ein näheres Kennenlernen der Eucharistie.
Im Gegensatz zu einigen katholischen Mitbrüdern und -schwestern empfinde ich das Papsttum und den „Zentralismus“ als überaus konstruktive Einrichtungen, die in einer globalisierten Welt das Profil besonders schärfen. Auch die monastische Tradition beeindruckt mich sehr.
Was war für Sie bei Ihrer Konversion die größte Herausforderung?
Das war sicherlich der Augenblick auf dem Standesamt, als ich aus der evangelischen kirchlichen Gemeinschaft ausgetreten bin. Da spürte ich dann doch, wie der Protestantismus Teil meiner Identität war. Aber dadurch, dass ich evangelisch getauft bin und das auch von der römisch-katholischen Kirche akzeptiert wurde, so dass der nächste Schritt die Firmung sein konnte – das erscheint mir retrospektiv wie eine persönliche, spirituelle „Evolution“.
Wenn ich fragen darf: Wer ist beim Gebet Ihr bevorzugter himmlischer Ansprechpartner und warum?
Normalerweise bete ich morgens das Vaterunser und lese im Neuen Testament. Abends bete ich drei Ave Maria (Glaube-Hoffnung-Liebe); derzeit lerne ich den Rosenkranz – für mich übrigens auch eine meditativ sehr gewinnbringende Gebetsform!
Foto: © Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Quelle: "Ein Biologe konvertiert: 'Frischer Blick aufs Christentum'"
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